Interview mit Stefan von TutKit.com

Gründer-Talk mit Stefan Petri: Den Puls der digitalen Zeit gefühlt

Stefan Riedl
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Wie ein Sportverein zum Sprungbrett in die Selbstständigkeit wird, warum ein E-Mail-Postfach geleert den besten Eindruck macht und wieso man per Joystick prima vor dem Fenster zocken kann? Stefan Petri, einer der beiden Gründer von TutKit.com, nimmt dich im Gründer-Talk mit auf Zeitreise durch ein Leben voller Leidenschaft für die digitale Welt.


Stefan, seit 11 Jahren bist du Vollblut-Unternehmer. Warum hast du den Schritt in die Selbstständigkeit getan und was hast du davor gemacht?

Als ich 2002 eine Fortbildung zum Webdesigner startete, kam ich mit Photoshop in Kontakt. Als erstes kleines Projekt erstellte ich eine Tutorial-Seite namens PSD-Tutorials.de. Die besten Domainnamen waren übrigens auch schon damals vergeben. Die Seite hatte zwar anfangs kaum Besucher, in den ersten Wochen war ich wohl der einzige. Doch dann wurde sie immer größer, und als Matthias erkannte, wie viel Potenzial in ihr steckt, entschlossen wir uns beide, unsere Jobs an den Nagel zu hängen und uns nur auf eins zu konzentrieren: unser E-Learning-Portal www.psd-tutorials.de. Schon damals hatten wir gut 20.000 Mitglieder. Und zehn Jahre später waren bereits über 400.000 registriert. Ohne Matthias hätte ich es mir wohl nicht getraut, alles auf eine Karte zu setzen. Dafür bin ich ihm extrem dankbar.

Ich bin gelernter Bürokaufmann. Das bot mir damals die Möglichkeit, mit Computern zu arbeiten, denn 1997 gab es noch keine reine Computerausbildung. Zum Glück war ich kurz vor meiner kompletten Selbstständigkeit beim ASC Göttingen, dem größten Sportverein Niedersachsens, angestellt. Dort war meine erste Aufgabe die Überarbeitung der gesamten Vereins-Website. Die gesammelte Erfahrung konnte ich direkt in PSD-Tutorials.de einfließen lassen. Und durch die Umstellung auf ein CMS nahm PSD-Tutorials.de richtig Fahrt auf. Daher bin ich total froh, dass ich damals beim ASC Göttingen gelandet bin.

PSD-Tutorials.de in den Anfangsjahren
PSD-Tutorials.de im Jahr 2003

Zusammen in die Zukunft

Warum und wie ist TutKit.com entstanden?

Wir hatten 2015 in unserem Shop über 80 Produkte. Ein Jahr vorher dachten wir uns schon: Wenn wir in dem Tempo weitermachen und ständig neue Produkte dazukommen, wäre es doch schön, wenn unsere Kunden die Wahl haben, ein Produkt einzeln zu kaufen oder im Rahmen einer Flatrate vollen Zugriff auf alle Produkte zu haben. Ich kenne es ja von mir selbst: Als ich noch keine Telefon-Flatrate hatte, telefonierte ich, um Kosten zu sparen, fast gar nicht. Kaum hatte ich eine Flatrate, war ich gefühlt den halben Tag am Telefon – was übrigens bis heute gilt.

Auch Produkt und Kundenverhalten haben sich mit der Zeit verändert. Kannst du uns diesen Transformationsprozess beschreiben? Also quasi vom Einzelvideo über die postalisch verschickte DVD bis zur Streaming-Flatrate?

Als PSD-Tutorials.de gegründet wurde, kam schon 3 Jahre später die erste selbstgebrannte DVD heraus – mit den besten Tutorials von mir zu Photoshop. Weil die DVDs so gut gingen, konnte ich sie kurze Zeit später auch professionell pressen lassen: 1.000 Stück auf einer Europalette! Das war echt spannend. Ich war extrem aufgeregt, als die erste Lieferung ankam.

Stefans Wohnung damals in Göttingen
Lang ist’s her: So sah mein PC aus, an dem PSD-Tutorials.de entstanden ist.

Jahre später merkten wir, dass der Trend immer mehr zu Downloads ging. Deshalb probierten wir 2011 aus, alle Produkte im Shop auch als Download-Version anzubieten. Und siehe da: Die Kunden luden von Tag zu Tag mehr herunter. Sie hatten ihre Ware sofort und sparten sogar Geld. Seit 2020 bieten wir keine DVDs mehr an. 99 % unserer Kunden kaufen Downloads, der Rest die USB-Stick-Version, die von unserer Buchhaltungsfee manuell bespielt und verschickt wird.

Aber auch die Stick-Variante werden wir nur noch maximal ein bis zwei Jahre anbieten. Der Aufwand ist erheblich, und die Kunden haben sowieso von Jahr zu Jahr ein schnelleres Internet. Und da unsere Buchhaltungsfee bald in die wohlverdiente Rente geht, passt das vom Timing natürlich auch intern.

Woher stammen eigentlich die ganzen Tutorials, Assets und Arbeitsdateien, die auf TutKit.com angeboten werden?

Zum großen Teil von unserem Team. Aber wie heißt es so schön: Wer alles kann, kann nichts richtig. Daher kaufen wir auch Inhalte ein. Meist werden sie sogar exklusiv für uns erstellt. Wir sind sehr froh, dass wir auf über 100 Trainer und Inhaltsersteller zurückgreifen können. Wenn uns Kunden schreiben, dass sie gern einen bestimmten Inhalt haben möchten, der aktuell nicht auf TutKit.com verfügbar ist, können wir schnell reagieren, und oft steht genau dieser Inhalt schon wenig später bei uns online. 

Von Kindesbeinen an auf Spaß programmiert

Machen wir eine Zeitreise: Welcher war dein größter Berufswunsch, als du zehn Jahre alt warst? Gibt es aus heutiger Sicht erkennbare Parallelen?

Ich wollte schon immer gern mit Computern arbeiten. Als ich neun Jahre alt war, kauften unsere Eltern einen Amiga 500. Darauf haben Matthias und ich zwar anfangs nur gespielt, aber schon wenig später erstellten wir auch erste Bilder und sogar Trickfilme. Schon damals zeigte sich, dass ein wenig Unternehmergeist in uns steckte: Wir hatten im Garten eine Pumpe für die Bewässerung. Eigentlich war es unsere Aufgabe, das Wasser in eine große Tonne zu pumpen. Doch kamen unsere Freunde, durften sie das für uns tun. Als Lohn konnten sie danach mit uns am Amiga zocken.

Wir waren ja die Ersten im Dorf, die einen Computer hatten. Das war schon cool. Und auch lustig: Da unsere Mutter nachmittags immer schlief, durften die Freunde in der Zeit natürlich nicht ins Haus. Also haben wir den Joystick aus dem Fenster gehalten, und dann wurde eben von dort aus gezockt. Was für lustige Zeiten! Heute, wo jeder ein Smartphone hat, ist das kaum noch vorstellbar. 

Stefan in jungen Jahren
Mein 14. Geburtstag, an dem ich mir für meinen Amiga CD32 ein paar Spiele gewünscht hatte.

Läuft: das Familienbetriebssystem

Wie kann man sich die Arbeit zwischen dir und deinem Bruder, der auch Geschäftsführer ist, vorstellen? Gibt es klare Kompetenzaufteilungen, Tätigkeitsschwerpunkte oder vielleicht auch brüderliche Konflikte?

Da die Arbeit am Computer schon immer mein Hobby ist, konzentriere ich mich auf das Technische, während Matthias mittlerweile richtig stark im Erstellen von Hilfe-Videos ist. Er arbeitet auch Verträge aus und klärt rechtliche Fallstricke. Außerdem liegt Matthias die Personalführung viel mehr als mir. Wäre es nach mir gegangen, wären wir wohl noch heute zu zweit und somit nicht so gut wie jetzt. Matthias gibt da immer wieder Impulse, wenn es Zeit für Verstärkung im Team ist. 

Dafür bin ich meist derjenige, der die vielen E-Mails beantwortet oder den Live-Chat betreut. Was mich angeht: Wenn ich mal wieder fix aus der Hüfte ein neues Feature programmiere, warte ich nicht lange auf Feedback und nehme es online. Dann gibt es allerdings manchmal eine Rolle rückwärts, weil mein Bruder die Perfektion liebt, ich aber lieber Zeit spare und es kaum abwarten kann. Dann sinkt die Bürozimmertemperatur um ein paar Grad, weil Matthias in solchen Fällen echt schlecht gelaunt sein kann. Kommt aber nur etwa zweimal im Jahr vor. Das letzte Mal liegt schon fast 6 Monate zurück. Wird also bald wieder Zeit. :-) 

Eure Agentur 4eck Media hat ja die DNA eines Familienbetriebs, denn auch Doris Petri, eure Mutter, arbeitet im Back-Office und in der Lohnbuchhaltung. Wie kam es dazu?

Als nebenbei meine Selbstständigkeit losging – ich mir also neben meinem festen Job im Sportverein einen Tag pro Woche Zeit für mein Business nahm – machte ich die Buchhaltung noch selbst. Als gelernter Bürokaufmann kann ich das auch, obwohl mir das Buchen an sich keinen Spaß macht. Meine Mutter ist eine erfahrene Buchhalterin, und deswegen übernahm sie irgendwann diesen Part nach Feierabend oder am Wochenende.

Dann wechselte bei ihr auf Arbeit die Geschäftsführung, worunter das Betriebsklima litt. Da haben Matthias und ich unserer Mutter angeboten, doch einfach hauptberuflich für uns zu arbeiten. Da machten ihre Kollegen und der neue Chef große Augen, als sie von heute auf morgen kündigte und sagte, sie habe längst einen viel besseren Job.

Überzeugung als stärkster Antrieb

Was müsste passieren beziehungsweise wann würdest du sagen: „Wow, wir haben es tatsächlich geschafft“?

Jeden Tag sage ich das. Und zwar, wenn ich voller Stolz meinen E-Mail-Eingang abgearbeitet habe. Mein Ziel ist immer ein leerer Posteingang. Okay, ich helfe mir ab und zu mit einem Trick: In Gmail nutze ich die Erweiterung Boomerang. Damit kann ich aufwendigere E-Mails in die Zukunft schieben. Sehr praktisch auch, wenn ich jemandem eine E-Mail geschrieben, aber noch immer keine Antwort bekommen habe. 

Bei der Neuentwicklung von TutKit.com wollte ich schon mehrfach in die Welt hinausposaunen, dass wir es endlich geschafft haben. Am Ende hat sich dann alles um ein Jahr verzögert. Aber jetzt bin ich sehr stolz darauf, dass sich dieser Kraftakt gelohnt hat und wir ein echt geniales Portal online sehen, das sich nun obendrein viel besser erweitern lässt. 

Was ist dein persönlicher Antrieb, um dich täglich neben privaten Verpflichtungen und der eigenen Familie für die Firma einzusetzen?

Für mich ist mein Job eher eine Berufung. Ich liebe die Arbeit in unserer Firma vor allem, weil ich weiß, dass wir etwas Gutes auf die Beine stellen. Wir erweitern die Fähigkeiten all unserer Mitglieder. Wer sich nur ein wenig mit unserer Website beschäftigt, wird mit vielen neuen Skills beschenkt und kommt so in der immer komplizierteren Arbeitswelt viel einfacher zurecht.

Daher freue ich mich auch immer, wenn E-Mails von Kunden mit Fragen reinkommen. Das zeigt mir, wie interessiert die Leute sind. Und dann kann ich helfen, Lösungen zu finden. Außerdem haben wir mittlerweile ein geniales Team, das mich immer wieder stolz macht. Klar gibt es auch mal Nackenschläge von unseren Mitarbeitern, aber oft zu Recht, weil alle nur eins wollen: dass wir als Firma noch besser werden. 

Zu Hause fühlen mal zwei

Die Agentur hat ihren Sitz in Waren, du lebst in Rostock. Welche Gründe hat das?

Die Liebe natürlich. :-)  Vor sechs Jahren lebte ich noch in Göttingen. 13 Jahre habe ich da verbracht, und irgendwann hat es Matthias geschafft, mich in seine Wahlheimat Waren zu lotsen. Da wohnte ich dann fünf Jahre – bis ich meine Partnerin aus Rostock kennenlernte …

Nun lebe ich hier an der Ostsee, und es ist nur eine Autostunde bis Waren. Mittlerweile bin ich sogar Vater und arbeite deshalb vermehrt im Homeoffice. Das klappt sehr gut. Übrigens arbeiten 75 % unserer Mitarbeiter von zu Hause. Somit leben wir fast alle diese Mobilität, und deswegen konnte uns auch Corona nicht von unserer Leidenschaft abhalten, jederzeit für unsere Kunden und Mitglieder da zu sein. 

Stefan und Freunde beim Paintball
Damit wir nicht nur im digitalen Raum unterwegs sind und am PC hocken, gönnen mein Bruder und ich uns oft einen Spaziergang mit unserem Hund – oder am Wochenende eine Runde Paintball.

Von der Balance zwischen Arbeit und Auszeit

Kurz und knapp: Wie sorgst du für einen gesunden Ausgleich neben dem Stress, der computerlastigen Arbeit und der Verantwortung für ein gesamtes Team?

Einerseits sorgen mein Hund Ringo und meine Töchter dafür, dass ich genug an die frische Luft komme. Außerdem gibt es echt gute YouTube-Videos, um sich per Anleitung sportlich fit zu halten. Das mache ich mindestens zweimal pro Woche – und brauche dafür nur eine Matte. 

Gute-Laune-Manager Ringo
Ringo ist überall dabei – ob in der Agentur oder beim Spaziergang.

Die Nähe zum Kunden ist etwas, was dir als Geschäftsführer besonders am Herzen liegt. Wie oft am Tag klingelt dein Handy?

Mittlerweile geht es, da mir unsere Mitarbeiterin Susann fast alle Telefonate abnimmt. Nach Feierabend oder am Wochenende kommen so ein bis zwei Anrufe täglich rein. Das geht also. Gleichzeitig helfe ich sehr gern und freue mich immer wieder zu hören, dass die Kunden mit unserem Support außerordentlich zufrieden sind. 

Der richtige Riecher für den nächsten Renner

Welches war euer bisher erfolgreichstes Produkt und was macht den Unterschied, ob ein Produkt „performt“ oder nicht?

Das bisher erfolgreichste Produkt war unser erstes Fotografie-Training. Das kam 2010 raus, und mit den Einnahmen konnten wir viele weitere Produkte einkaufen. Aber man muss auch zugestehen, dass es einfach eine andere Zeit war: YouTube war noch nicht in aller Munde und neue Produkte verkauften sich fast alle gut.

Jetzt, zehn Jahre später, ist es viel schwerer geworden. Wir schauen einfach immer, dass wir mit unseren neuen Produkten den Nerv der Zeit treffen. So ist zum Beispiel unsere Cartoon-Photoshop-Aktion ein echter Dauerbrenner. Aber wer weiß, wie lange noch. Sobald Photoshop das auch von Haus aus kann, wird auch dieses Produkt nicht mehr gebraucht. Daher muss man immer schauen, was gefragt sein könnte, und dann darf man nicht lange warten, man muss es produzieren und veröffentlichen.

Wofür würdest du mitten in der Nacht aufstehen?

Wenn meine Tochter nachts nach mir ruft. Und natürlich, wenn TutKit.com offline ist und ich den Server fit machen darf. Zum Glück ist das noch nie passiert.

Aller guten Dinge sind drei

Bitte vervollständige die folgenden Aussagen:

Wenn ich heute meinem damaligen Ich einen Ratschlag geben könnte, dann wäre der, … Apple- und Tesla-Aktien zu kaufen. :-) Nein, im Ernst. Ich hätte ihm gesagt: Hab den Mut, TutKit.com viel früher an den Start zu bringen. Am besten zehn Jahre eher.  

Angehenden Gründern empfehle ich, … möglichst schon nebenbei am Business zu arbeiten und zu schauen, ob das gut ankommt. Wenn es doch floppt, bist du wenigstens den Job nicht los. Ich selbst habe ja auch so angefangen und mir immer montags 100 % Zeit für mein Business genommen. Nimm dir einen Mentor und besuche zum Beispiel die Vertriebsoffensive von Dirk Kreuter. Aber: Werde nie zum Wissensriesen und Anwendungszwerg. Wenn du dich fortgebildet hast, komm erst mal viele Monate ins Tun und setze das Gelernte um. Ich kenne so viele Leute, die jeden Monat Fortbildungen besuchen, aber bis heute nichts umgesetzt haben.  

Ich habe schon immer gewusst, dass … man mit Freundlichkeit weiterkommt. Stichwort: Dale Carnegie.

Stefan Petri – Gründer von TutKit.com und Familienvater mit Leib und Seele

Steckbrief: Stefan Petri

  • Familienstand: in Lebensgemeinschaft mit meiner Partnerin und Mutter meiner Kinder
  • Kinder:
  • Geburtsjahr: 1981
  • Ich lebe in: Rostock
  • Lieblingsessen: sämtliche Kindergerichte :-)
  • Einem Kanal, dem ich gern folge: Quarks vom WDR
  • Ein Zitat, das ich oft wiederhole: Was du heute kannst besorgen, verschiebe nicht auf morgen.
  • Gelernter Beruf: Bürokaufmann. Es gab damals erst ein Jahr später den Informatikkaufmann, den hätte ich sonst gewählt. 
  • Anzahl der Schlafstunden: 7,5 Stunden (23:00 Uhr ins Bett und schon 6:30 Uhr wieder auf) 
  • Dresscode: eher sportlich-locker
  • Haustier: Ringo, Mittelschnauzer
Veröffentlicht am von Stefan Riedl
Veröffentlicht am: Von Stefan Riedl
Stefan Riedl, einst gelernter Bankkaufmann, studierte später Grafik-Design und ist mit über 250 Tutorials als Trainer für alle Themen rund um Desktop-Publishing tätig. Fünf Jahre fungierte er im Editoral-Design als Chefredakteur des „Commag“ – dem Online-Magazins für Bildbearbeitung und Webdesign auf PSD-Tutorials.de. Als Visual-Designer beteiligte er sich maßgeblich an der Portalentwicklung von TutKit.com und kreierte als Artdirector das Erscheinungsbild. Stefans Schwerpunkte liegen in der strategischen Planung, grafischen Gestaltung und Ausarbeitung komplexer User Experience-Designs.
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