Der Sprung ins kalte Wasser
Die Black Friday Aktion war ein Erfolg. Die kleine Kaffeerösterei hat gezeigt, dass ihre Produkte auch online funktionieren. Der eigene Webshop läuft, die ersten Stammkunden bestellen regelmäßig, und die Bewertungen sind durchweg positiv. Jetzt stellt sich die Frage: Was kommt als Nächstes?
Amazon. Der Name steht im Raum wie ein großes Fragezeichen. Einerseits die Chance auf deutlich mehr Reichweite und Umsatz. Andererseits die Unsicherheit: Wie funktioniert das eigentlich? Was kostet es? Und schaffe ich das überhaupt neben dem Tagesgeschäft?
Dieser Artikel begleitet dich durch den gesamten Prozess – von den ersten Überlegungen bis zur optimierten Produktseite. Du erfährst, wie Amazon als Verkaufsplattform funktioniert, welche SEO-Faktoren dort wichtig sind und ob du den Einstieg selbst meistern kannst oder besser auf externe Unterstützung setzt. Alle Zahlen und Fakten sind belegt, alle Schritte praxisnah erklärt. Los geht's.
Amazon als Verkaufskanal für Kaffeeröstereien
Amazon ist der größte Online-Marktplatz in Deutschland. Laut Statista nutzten 2023 rund 52 Millionen Menschen in Deutschland Amazon zum Online-Shopping – das entspricht etwa 63% der Gesamtbevölkerung. Bei dieser Reichweite wird schnell klar: Wer online verkaufen möchte, kommt an Amazon kaum vorbei.
Besonders interessant für Kaffeeröstereien: Die Produktkategorie "Lebensmittel & Getränke" wächst auf Amazon kontinuierlich. Kunden kaufen dort längst nicht mehr nur Bücher und Elektronik, sondern auch hochwertige Lebensmittel. Die Bereitschaft, Kaffee online zu bestellen, ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Die Pandemie hat diesen Trend zusätzlich beschleunigt.
Der große Unterschied zu deinem eigenen Webshop: Auf Amazon musst du keine Kunden erst mühsam auf deine Seite locken. Die Käufer sind bereits dort – und sie suchen aktiv nach Produkten. Während du bei deinem eigenen Shop permanent in Marketing investieren musst, um Traffic zu generieren, bringt Amazon die Käufer mit. Du musst "nur" dafür sorgen, dass sie deine Produkte finden und kaufen.
Dazu: IFH Köln - Amazon bestimmt Konsumverhalten online und offline
Das bedeutet nicht, dass Amazon automatisch einfacher ist. Die Konkurrenz ist groß, die Margen oft enger als im eigenen Shop, und die Spielregeln bestimmt Amazon. Aber die Chance, schnell eine relevante Anzahl neuer Kunden zu erreichen, ist nirgendwo größer. Viele mittelständische Unternehmen in Deutschland erwirtschaften mittlerweile 20-40% ihres Online-Umsatzes über Amazon. Als zusätzlicher Verkaufskanal neben dem eigenen Shop macht Amazon für die meisten Kaffeeröstereien durchaus Sinn.
Ein weiterer Vorteil: Amazon übernimmt auf Wunsch die komplette Logistik. Mit FBA (Fulfillment by Amazon) schickst du deine Produkte an ein Amazon-Lager, und Amazon kümmert sich um Lagerung, Verpackung, Versand und sogar Retouren. Das klingt zunächst komfortabel – hat aber auch seinen Preis und seine Tücken. Dazu später mehr.
Die Grundlagen: So funktioniert Amazon für Seller
Bevor du auf Amazon verkaufen kannst, musst du einige grundlegende Entscheidungen treffen. Die wichtigste: Vendor oder Seller?
Als Vendor verkaufst du deine Produkte direkt an Amazon. Amazon wird zum Großhändler, der deine Ware einkauft und unter eigenem Namen weiterverkauft. Du hast weniger Arbeit, aber auch deutlich weniger Kontrolle über Preis, Präsentation und Kundenkontakt. Für die meisten kleineren Kaffeeröstereien ist dieser Weg nicht zugänglich – Amazon lädt Vendors aktiv ein.
Als Seller verkaufst du selbst auf dem Amazon-Marktplatz. Du bist sichtbar als Verkäufer, kontrollierst Preise und Produktpräsentation und hast direkten Zugang zu Kundendaten (anonymisiert, aber für Nachbestellungen nutzbar). Dieser Weg ist für Kaffeeröstereien der richtige.
Innerhalb des Seller-Modells hast du zwei Optionen für die Logistik:
FBM (Fulfillment by Merchant): Du lagerst, verpackst und verschickst selbst. Das bedeutet mehr Arbeit, aber auch volle Kontrolle über die Qualität – besonders bei frisch geröstetem Kaffee ein wichtiger Punkt. Du kannst sicherstellen, dass die Bohnen nicht monatelang im Lager liegen, bevor sie zum Kunden kommen.
FBA (Fulfillment by Amazon): Amazon übernimmt die komplette Logistik. Das spart dir Zeit und verschafft deinen Produkten Vorteile: FBA-Produkte sind Prime-fähig, ranken tendenziell besser und werden von vielen Kunden bevorzugt. Der Nachteil: Du hast keine Kontrolle über Lagerzeiten. Für frisch gerösteten Spezialitätenkaffee, bei dem das Röstdatum eine Rolle spielt, kann das problematisch sein.
Viele Kaffeeröstereien starten mit FBM, um die Frische zu garantieren, und wechseln später bei bestimmten Produktlinien (etwa vorgemahlener Kaffee oder Espresso in Kapseln) zu FBA. Ein Mischmodell ist möglich und oft sinnvoll.
Entscheidend für deinen Erfolg auf Amazon ist die Markenanmeldung (Brand Registry). Damit schützt du deine Marke vor Missbrauch und erhältst Zugang zu wichtigen Tools: A+ Content für erweiterte Produktbeschreibungen, Sponsored Brands Anzeigen und detaillierte Markenanalysen. Die Anmeldung erfordert eine eingetragene Marke beim DPMA oder einem anderen Markenamt. Falls du diese noch nicht hast, solltest du sie vor dem Amazon-Start beantragen.
Der Start kostet dich eine monatliche Gebühr von 39€ für das Professional Seller-Konto. Hinzu kommen Verkaufsgebühren: Amazon nimmt je nach Kategorie zwischen 8-15% des Verkaufspreises als Provision. Bei Lebensmitteln liegt die Gebühr bei 15%. Bei FBA kommen noch Lager- und Versandkosten hinzu. Du solltest also genau kalkulieren, ob deine Margen diese Kosten tragen können.
Amazon SEO: Gefunden werden im Produkt-Dschungel
Amazon ist keine Website – Amazon ist eine Suchmaschine für Produkte. Und wie bei Google gibt es auch hier Regeln, nach denen die Suchergebnisse sortiert werden. Der große Unterschied: Während Google Inhalte nach Relevanz sortiert, sortiert Amazon nach Kaufwahrscheinlichkeit. Der A9-Algorithmus von Amazon hat ein einziges Ziel: dem Kunden das Produkt zu zeigen, das er am wahrscheinlichsten kaufen wird.
Das bedeutet: Amazon SEO ist komplexer als Google SEO. Es geht nicht nur darum, für bestimmte Keywords gefunden zu werden, sondern auch darum, dass Kunden dein Produkt tatsächlich kaufen. Conversion ist ein Ranking-Faktor. Ein Produkt, das zwar für "Espresso Bohnen" rankt, aber niemand kauft, wird schnell in den Suchergebnissen nach unten rutschen.
Der Produkttitel: Deine wichtigste SEO-Fläche
Der Titel ist das Erste, was Kunden sehen, und gleichzeitig das wichtigste Element für Amazon SEO. Hier gehören die relevantesten Keywords rein – aber bitte lesbar und nicht als Keyword-Wüste.
Schlecht: "Kaffee Espresso Bohnen Arabica Robusta Bio Fair Trade Italien geröstet 1kg Espressobohnen Kaffeebohnen"
Besser: "Espressobohnen Italia Premium – 1kg Bio Arabica Bohnen aus Äthiopien – Mittlere Röstung für Vollautomaten & Siebträger"
Der gute Titel enthält:
- Das Hauptkeyword ganz vorne ("Espressobohnen")
- Die wichtigsten Produktmerkmale (Bio, Herkunft, Röstgrad)
- Die Menge (1kg)
- Den Verwendungszweck (Vollautomat, Siebträger)
Amazon erlaubt in der Kategorie Lebensmittel maximal 200 Zeichen im Titel. Nutze sie, aber vermeide Keyword-Stuffing. Der Titel muss auch für Menschen lesbar bleiben.
Bullet Points: Hier verkaufst du
Die fünf Bullet Points unter dem Produktbild sind Gold wert. Hier kannst du zeigen, warum Kunden genau deine Bohnen kaufen sollten. Jeder Bullet Point sollte einen konkreten Mehrwert kommunizieren – und gleichzeitig wichtige Keywords enthalten.
Beispiel:
• Geschmacksprofil: Vollmundiger Espresso mit Noten von dunkler Schokolade und Nuss – perfekt für Cappuccino und Latte Macchiato, ohne Bitterkeit
• Herkunft & Qualität: 100% Arabica Bohnen aus den Hochlandregionen Äthiopiens, handgepflückt und sorgfältig selektiert für gleichbleibende Premium-Qualität
• Schonende Trommelröstung: In unserer Rösterei in Hamburg täglich frisch geröstet, mittlerer Röstgrad für ausgewogenen Geschmack ohne Bitterstoffe
• Bio & Fair Trade zertifiziert: DE-ÖKO-006 zertifiziert, faire Bezahlung der Kaffeebauern, 100% rückverfolgbare Lieferkette
• Perfekt für deinen Vollautomaten: Optimale Bohnenhärte für alle gängigen Kaffeevollautomaten und Siebträgermaschinen, mittlerer Mahlgrad empfohlen
Achte darauf: Keine GROSSBUCHSTABEN, keine übertriebenen Werbeversprechen, keine Vergleiche mit anderen Produkten. Amazon löscht solche Inhalte und im schlimmsten Fall dein ganzes Listing.
Backend Keywords: Unsichtbar, aber wichtig
Im Backend deines Seller-Accounts kannst du weitere Keywords hinterlegen, die für Kunden unsichtbar sind, aber von Amazon für das Ranking berücksichtigt werden. Hier gehören vor allem Synonyme, alternative Schreibweisen und Long-Tail-Keywords rein:
- Kaffee, Coffee, Espresso, Cafe
- Kaffeebohnen, Espressobohnen, ganze Bohnen
- Vollautomaten, Kaffeemaschine, Siebträger, Siebträgermaschine
- Bio Kaffee, Bio Espresso, fairer Kaffee
- Äthiopien Kaffee, Hochlandkaffee, Single Origin
Du hast 249 Bytes zur Verfügung (nicht Zeichen!). Umlaute und Sonderzeichen verbrauchen mehr Bytes. Trenne Keywords durch Leerzeichen, keine Kommas nötig. Wiederhole keine Keywords, die bereits im Titel oder in den Bullet Points vorkommen – das bringt nichts.
A+ Content: Der Unterschied zwischen gut und sehr gut
Mit der Brand Registry erhältst du Zugang zu A+ Content (früher: Enhanced Brand Content). Damit kannst du unterhalb der Bullet Points eine visuell gestaltete Produktbeschreibung mit Bildern, Vergleichstabellen und Textmodulen erstellen.
A+ Content hat laut Amazon einen durchschnittlichen Einfluss auf die Conversion Rate von etwa 5-10%. Bei einer Kaffeerösterei kannst du hier punkten:
- Zeige deine Rösterei und das Team (Vertrauen)
- Erkläre den Röstprozess (Transparenz)
- Stelle verschiedene Röstgrade visuell dar
- Gib Zubereitungstipps für verschiedene Maschinen
- Erkläre die Herkunft der Bohnen mit einer Karte
A+ Content ist kein direkter Ranking-Faktor, aber indirekt: Wenn deine Conversion Rate steigt, steigt auch dein Ranking. Investiere hier Zeit.
Produktbilder: Der erste Eindruck zählt
Bilder sind keine direkten SEO-Faktoren, aber sie beeinflussen massiv deine Click-Through-Rate und Conversion. Amazon erlaubt bis zu neun Bilder. Nutze sie alle:
- Hauptbild: Packung frontal auf weißem Hintergrund (Pflicht)
- Packung im 45-Grad-Winkel (zeigt mehr Details)
- Offene Packung mit Bohnen
- Close-Up der gerösteten Bohnen
- Zubereitetes Produkt (Tasse Espresso mit Crema)
- Infografik mit Geschmacksprofil und Röstgrad
- Infografik mit Herkunftsinformationen
- Produktvergleich (falls du mehrere Sorten hast)
- Rösterei-Atmosphäre oder Team
Professionelle Produktfotos sind Pflicht. Das Smartphone reicht nicht. Die Bilder müssen mindestens 1000 x 1000 Pixel haben, besser 2000 x 2000 für die Zoom-Funktion.
DIY oder Amazon-Agentur: Was macht für deine Rösterei Sinn?
Jetzt wird es konkret: Kannst du Amazon selbst managen oder brauchst du externe Hilfe durch eine Amazon Agentur? Die Frage ist nicht pauschal zu beantworten – es kommt auf deine Situation an.
Der Zeitfaktor: Wie viel Arbeit ist Amazon wirklich?
Händler auf Amazon investieren durchschnittlich 15-25 Stunden pro Woche in die Betreuung ihres Accounts. Das umfasst Produktpflege, Bestandsmanagement, Kundenservice, Advertising und Performance-Analyse. Für eine Ein-Personen-Rösterei, die nebenbei noch Kaffee rösten, Kunden bedienen und den eigenen Shop pflegen muss, ist das kaum zu stemmen.
In der Startphase ist der Aufwand höher: Produktseiten anlegen, Bilder erstellen, Texte schreiben, FBA-Prozesse verstehen, erste Werbekampagnen aufsetzen. Hier können schnell 40-50 Stunden zusammenkommen – und das nur für ein einziges Produkt.
Ist das System einmal eingerichtet und läuft, reduziert sich der Aufwand. Aber: Amazon ist kein "Set it and forget it"-Kanal. Preise der Konkurrenz ändern sich, Werbekampagnen müssen optimiert werden, Kundenfragen müssen beantwortet werden (Amazon erwartet Antworten innerhalb von 24 Stunden).
Was spricht für DIY?
Du lernst die Plattform von Grund auf kennen. Du verstehst, wie Amazon funktioniert, welche Stellschrauben wichtig sind und wo deine Probleme liegen. Dieses Wissen ist wertvoll, auch wenn du später mit einer Agentur arbeitest.
Du sparst Geld – zunächst. Agenturen kosten, je nach Leistungsumfang, zwischen 500€ und 2.000€ monatlich, plus eine Umsatzbeteiligung von 10-15%. Gerade zu Beginn, wenn die Umsätze noch niedrig sind, ist das schwer zu finanzieren.
Du behältst die Kontrolle. Niemand kennt dein Produkt besser als du selbst. Du kannst schnell auf Veränderungen reagieren, ohne auf Freigabeprozesse warten zu müssen.
Was spricht für eine Agentur?
Erfahrung. Eine gute Amazon-Agentur hat dutzende oder hunderte Accounts betreut und weiß, was funktioniert und was nicht. Sie kennt die typischen Anfängerfehler und hilft dir, sie zu vermeiden. Sie versteht die aktuellen Algorithmus-Updates und kann deine Strategie entsprechend anpassen.
Zeit. Du kaufst dir buchstäblich Zeit. Statt 20 Stunden pro Woche mit Amazon zu verbringen, kannst du rösten, neue Produkte entwickeln oder deinen eigenen Shop ausbauen.
Tools und Technik. Professionelle Agenturen nutzen Tools wie Helium 10, Jungle Scout oder Sellics, die mehrere hundert Euro monatlich kosten. Sie haben Zugang zu Daten und Analysen, die dir als Einzelkämpfer nicht zur Verfügung stehen.
Allerdings: Nicht jede Agentur ist ihr Geld wert. Der Markt ist voll mit selbsternannten Amazon-Experten, die nach drei Monaten Erfahrung bereits Beratung anbieten. Eine gute Agentur erkennst du daran, dass sie konkrete Referenzen vorweisen kann, transparente Reportings liefert und bereit ist, zunächst mit kleineren Projekten zu starten.
Der Mittelweg: Workshops und Schulungen
Eine dritte Option liegt zwischen Vollservice-Agentur und kompletter Eigenregie: strukturierte Schulungen und Workshops. Hier lernst du die wichtigsten Amazon-Mechaniken in kompakter Form, kannst konkrete Fragen zu deiner Situation stellen und erhältst Feedback zu deiner Strategie. Spezialisierte Amazon Workshops vermitteln dir in wenigen Tagen das Wissen, für das du sonst Monate an Trial-and-Error bräuchtest. Du lernst, worauf es bei Produktseiten, SEO und Advertising wirklich ankommt – und kannst dann selbst entscheiden, ob du den Weg alleine weitergehen möchtest oder für bestimmte Bereiche doch auf externe Unterstützung setzt.
Der Vorteil dieses Ansatzes: Du bleibst handlungsfähig. Selbst wenn du später mit einer Agentur arbeitest, kannst du deren Arbeit besser bewerten und bist nicht komplett abhängig. Viele erfolgreiche Amazon-Seller haben genau so angefangen: erst lernen, dann umsetzen, dann skalieren.
Die Kosten im Vergleich
Gehen wir von einem realistischen Szenario aus: Eine Kaffeerösterei mit drei Produkten (Espresso, Filterkaffee, Bohnen für Vollautomat) startet auf Amazon.
DIY-Kosten:
- Amazon Seller Account: 39 €/Monat
- Produktfotos (extern): 300-800€ einmalig
- Anfängliches Werbebudget: 300-500 €/Monat
- Deine Arbeitszeit: 20 Stunden/Woche (unbezahlt, aber realer Aufwand) = ca. 340-840 €/Monat plus massive Zeitinvestition
Agentur-Kosten:
- Agentur-Pauschale: 800-1.500 €/Monat
- Performance-Fee: 10-15% vom Umsatz
- Amazon Seller Account: 39 €/Monat
- Werbebudget: 300-500 €/Monat (oft höher, da Agentur aggressiver schaltet) = ca. 1.140-2.040 €/Monat plus Umsatzbeteiligung
Workshop + DIY:
- Workshop: 500-1.200€ einmalig
- Amazon Seller Account: 39€/Monat
- Produktfotos: 300-800€ einmalig
- Werbebudget: 300-500 €/Monat
- Deine Arbeitszeit: reduziert auf 10-15 Stunden/Woche durch effizienteres Arbeiten = 1.140-2.540 € initial, dann 340-840 €/Monat
Für den Start macht der Mittelweg oft am meisten Sinn: Investiere in Wissen, setze selbst um, und hole dir für spezifische Probleme punktuell Hilfe. Wenn der Account läuft und stabil Umsatz generiert, kannst du immer noch auf eine Agentur upgraden.
Der Start: Schritt-für-Schritt zur ersten Bestellung
Jetzt geht's ans Eingemachte. Du hast dich entschieden, Amazon anzugehen – wie startest du konkret?
Schritt 1: Account-Setup und Markenanmeldung
Registriere dich für einen Amazon Seller Account. Du brauchst: Gewerbeanmeldung, Steuernummer, Bankkonto, Ausweisdokument und Telefonnummer für die Verifizierung. Amazon prüft jeden neuen Seller – das kann einige Tage dauern.
Parallel dazu: Falls noch nicht geschehen, melde deine Marke beim DPMA an. Das kostet 300 € für eine Wortmarke, dauert etwa 3-4 Monate bis zur Eintragung. Erst danach kannst du die Brand Registry bei Amazon beantragen.
Schritt 2: Produktauswahl und Strategie
Nicht alle deine Produkte sind gleich gut für Amazon geeignet. Starte mit 1-2 Produkten, die folgende Kriterien erfüllen:
- Ausreichende Marge (mindestens 30% nach allen Amazon-Gebühren)
- Stabiles Haltbarkeitsdatum (mind. 90 Tage bei Ankunft im Amazon-Lager bei FBA)
- Klares Alleinstellungsmerkmal (Bio, Fair Trade, besondere Herkunft, spezieller Röstgrad)
- Suchvolumen auf Amazon (prüfe mit Helium 10 oder Jungle Scout, ob Kunden nach deiner Produktkategorie suchen)
Ein Fehler vieler Einsteiger: Sie listen ihre gesamte Produktpalette auf einmal. Das führt zu verzettelt, schlechter Performance bei allen Produkten und hohem Lagerrisiko. Besser: Fokussiere dich auf einen Hero-Artikel, mache den erfolgreich, und erweitere dann.
Schritt 3: Produktfotografie ist Pflicht
Investiere hier. Wirklich. Billige Smartphone-Fotos führen zu schlechten Conversion Rates und damit zu schlechtem Ranking. Du brauchst:
- Professionelle Packshots auf weißem Hintergrund
- Lifestyle-Bilder (Tasse mit Espresso, gemütliche Kaffeeszene)
- Infografiken mit relevanten Produktinformationen
Suche einen Fotografen, der Erfahrung mit Amazon-Listings hat. Die 500-800 € sind gut investiertes Geld. Alternativ: Lerne es selbst mit einem Lichtzelt und einer guten Kamera – aber rechne mit mehreren Tagen Einarbeitung.
Schritt 4: Listing-Erstellung
Jetzt kommt alles zusammen: Produkttitel, Bullet Points, Beschreibung, Backend-Keywords, Bilder. Nutze die SEO-Prinzipien aus dem vorherigen Kapitel. Wichtig:
- Schreibe für Menschen, nicht für Algorithmen
- Sei konkret statt schwammig ("mittlere Röstung" statt "perfekt geröstet")
- Nenne Fakten statt Worthülsen
- Nutze die 200 Zeichen im Titel voll aus
- Fülle alle fünf Bullet Points mit mindestens 150-200 Zeichen
Bevor du das Listing veröffentlichst: Lass es von jemandem gegenlesen, der nichts mit Kaffee zu tun hat. Versteht diese Person, was dein Produkt besonders macht? Wenn nicht: überarbeiten.
Schritt 5: Preisfindung
Pricing auf Amazon ist komplex. Du konkurrierst nicht nur über Qualität, sondern auch über den Preis. Recherchiere, was vergleichbare Produkte kosten. Setze deinen Preis nicht zu niedrig – das zieht deine Marke runter und lässt Kunden an der Qualität zweifeln. Setze ihn nicht zu hoch – dann kauft niemand, und dein Ranking leidet.
Eine Faustregel: Dein Amazon-Preis sollte maximal 10-15% unter deinem Webshop-Preis liegen. Ist die Differenz größer, kannibalisierst du deinen eigenen Shop. Ist er gleich oder teurer, fragt sich der Kunde: Warum nicht direkt im Shop kaufen?
Kalkuliere genau: Verkaufspreis minus 15% Amazon-Gebühr minus FBA-Gebühren (wenn du FBA nutzt) minus Produktionskosten minus Werbekosten = deine Marge. Bleibt mindestens 20-25% übrig? Gut. Weniger? Überdenke deine Preisstrategie oder das Produkt.
Schritt 6: Launch mit PPC
Organisches Ranking baust du langfristig auf. Kurzfristig brauchst du Werbekampagnen, um Sichtbarkeit und erste Sales zu generieren. Starte am Launchtag eine Sponsored Products Kampagne mit deinen wichtigsten Keywords. Budget: 10-20 € pro Tag für 2-4 Wochen.
Die Kampagne hat zwei Ziele:
- Kunden auf dein Produkt aufmerksam machen
- Amazon zeigen, dass dein Produkt sich verkauft (Ranking-Signal)
Wichtig: Bewerte die Kampagne nicht nach Profitabilität in den ersten Wochen. Du investierst hier in Sichtbarkeit und Ranking-Aufbau. Wenn du nach zwei Wochen bei 50 € Werbekosten und 100 € Umsatz stehst, ist das ein guter Start – auch wenn die Marge negativ ist.
Sponsored Products: Deine ersten Amazon Ads
Amazon Advertising ist ein eigenes Universum. Aber für den Start brauchst du nur eine Kampagnenform zu verstehen: Sponsored Products. Das sind die Anzeigen, die direkt in den Suchergebnissen erscheinen und mit "Gesponsert" gekennzeichnet sind.
Die drei Kampagnentypen
Automatic Campaigns: Amazon entscheidet, für welche Keywords deine Anzeige ausgespielt wird. Das ist perfekt für den Start, weil du so herausfindest, für welche Suchbegriffe Kunden dein Produkt tatsächlich kaufen. Starte hier mit einem Tagesbudget von 10€.
Manual Keyword Campaigns: Du legst selbst fest, für welche Keywords du erscheinen möchtest. Nutze dafür die Erkenntnisse aus der Automatic Campaign: Welche Keywords haben zu Sales geführt? Diese übernimmst du in eine Manual Campaign.
Product Targeting Campaigns: Hier erscheinst du nicht bei Keywords, sondern auf den Produktseiten von Konkurrenten oder ergänzenden Produkten (z.B. bei Kaffeemaschinen). Das ist fortgeschritten – starte nicht hiermit.
Dein Startbudget
Rechne mit 300-500 € Werbebudget für die ersten 4 Wochen. Das klingt nach viel, ist aber notwendig, um überhaupt Daten zu sammeln. Eine Studie von Marketplace Pulse aus 2024 zeigt: Erfolgreiche neue Seller investieren in den ersten drei Monaten durchschnittlich 15-25% ihres Umsatzes in Werbung. Danach sinkt dieser Anteil auf 8-12%.
Verteile das Budget so:
- 60% Automatic Campaign (Datensammlung)
- 30% Manual Campaign mit deinen wichtigsten 5-10 Keywords
- 10% Reserve für Tests
ACoS verstehen: Die wichtigste Kennzahl
ACoS steht für "Advertising Cost of Sale" und gibt an, wie viel Prozent deines Umsatzes du für Werbung ausgibst. Beispiel: Du machst 1.000 € Umsatz und zahlst 200 € für Werbung = 20% ACoS.
Ist das gut oder schlecht? Kommt drauf an. Du brauchst einen "Break-Even ACoS" – den Punkt, an dem deine Werbekosten genau deine Marge auffressen. Wenn deine Marge nach allen Amazon-Gebühren 30% beträgt, ist dein Break-Even ACoS 30%. Alles darunter ist profitabel, alles darüber verlierst du Geld.
Laut einer Analyse von Perpetua liegt der durchschnittliche ACoS in der Kategorie "Food & Gourmet" bei etwa 35-45%. In der Startphase darfst und solltest du darüber liegen – du kaufst dir Sichtbarkeit und Ranking. Nach 2-3 Monaten solltest du in Richtung Break-Even steuern.
Keyword-Strategie: Broad, Phrase, Exact
Bei Manual Campaigns kannst du Keywords in drei Match Types buchen:
Broad Match: Deine Anzeige erscheint bei ähnlichen und verwandten Suchbegriffen. Keyword "Espressobohnen" zeigt auch bei "beste Kaffeebohnen für Espresso". Viel Reichweite, wenig Kontrolle.
Phrase Match: Die Suchanfrage muss dein Keyword enthalten, kann aber erweitert sein. "Espressobohnen" zeigt bei "Bio Espressobohnen kaufen", aber nicht bei "Espresso Kaffeepulver".
Exact Match: Nur bei exakter Suche oder sehr nahen Varianten. "Espressobohnen" zeigt nur bei "espressobohnen" oder "espresso bohnen".
Starte mit Broad, um Daten zu sammeln. Nach 2-3 Wochen siehst du, welche konkreten Suchbegriffe funktionieren. Die besten überträgst du in Phrase oder Exact Campaigns mit höheren Geboten.
Gebotsoptimierung: Trial and Error mit System
Amazon arbeitet mit einem Auktionssystem. Du bietest auf Keywords, und wer am meisten zahlt (und das relevanteste Produkt hat), gewinnt die Top-Position. Aber: Du musst nicht immer Top sein.
Starte mit dem von Amazon vorgeschlagenen Gebot. Nach einer Woche prüfst du:
- Bekommst du Impressionen? Wenn nein: Gebot erhöhen.
- Bekommst du Klicks? Wenn wenig: Gebot erhöhen oder Bilder/Titel verbessern.
- Führen Klicks zu Sales? Wenn nein: Listing optimieren, nicht Gebot erhöhen.
Eine Faustregel: Dein Klickpreis (CPC) sollte nicht höher als 5-8% deines Verkaufspreises sein. Bei einem 20 €-Produkt zahlst du also maximal 1-1,60 € pro Klick. Darüber wird es schwer, profitabel zu bleiben.
Langfristig erfolgreich: Performance messen und optimieren
Amazon ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Die ersten Verkäufe sind ein Erfolg – aber das war nur der Anfang. Jetzt geht es darum, systematisch zu optimieren.
Die KPIs, die wirklich zählen
Fokussiere dich auf diese Kennzahlen:
Organic Rank: Auf welcher Position erscheinst du bei deinen wichtigsten Keywords ohne Werbung? Das ist dein langfristiger Erfolgsindikator. Prüfe es wöchentlich mit Tools wie Helium 10.
Conversion Rate: Wie viele Besucher kaufen tatsächlich? Der Durchschnitt liegt bei 10-15%. Liegst du darunter, stimmt etwas mit deinem Listing nicht (Preis, Bilder, Text, Bewertungen).
Session Percentage: Wie viel Prozent der Käufer, die nach deinem Keyword suchen, kaufen bei dir statt bei der Konkurrenz? Das ist eine Amazon-interne Metrik, die du im Brand Analytics Dashboard siehst. Über 10% ist gut, über 20% ist exzellent.
Tacos (Total ACoS): Nicht nur deine Werbekosten im Verhältnis zum Werbeumsatz, sondern im Verhältnis zum Gesamtumsatz. Ein gesunder TACoS liegt bei 5-10% – das bedeutet, dass auch dein organischer Traffic gut funktioniert.
Bewertungsmanagement: Der Schlüssel zu besserem Ranking
Produkte mit mehr und besseren Bewertungen ranken besser. Das ist Fakt. Laut einer Analyse von Jungle Scout aus 2023 haben Produkte auf der ersten Suchergebnisseite durchschnittlich 167 Bewertungen mit einer Durchschnittsnote von 4,3 Sternen.
Du darfst Bewertungen nicht kaufen oder manipulieren – das führt zur Sperrung. Aber du darfst und solltest aktiv darum bitten:
- Nutze das Amazon "Request a Review"-Tool (ein Button im Seller Central)
- Lege jedem Paket (bei FBM) eine Karte bei: "Wie hat Ihnen unser Kaffee geschmeckt? Wir freuen uns über Ihr Feedback auf Amazon."
- Biete exzellenten Kundenservice – zufriedene Kunden bewerten häufiger
Durchschnittlich hinterlässt nur 1 von 100 Käufern eine Bewertung organisch. Mit aktivem Bitten steigt die Quote auf 3-5%. Das bedeutet: Bei 100 Verkäufen im ersten Monat hast du 3-5 Bewertungen – zu wenig. Du brauchst mindestens 15-20 Bewertungen, um konkurrenzfähig zu sein. Das dauert 3-4 Monate. Hab Geduld.
Saisonale Strategien nutzen
Kaffee ist kein stark saisonales Produkt, aber es gibt Muster:
- November/Dezember: Geschenkekäufe steigen (Positioniere Premium-Boxen)
- Januar: "Neues Jahr, neue Gewohnheiten" – Anzeigen für Bio/Fair Trade verstärken
- September: Herbstbeginn – Wohlfühl-Positionierung nutzen
Passe dein Werbebudget an diese Phasen an. In Hochphasen kannst du aggressiver bieten – die Conversion ist höher, der Wettbewerb aber auch.
Das größte Problem: Die Buy Box
Bei FBM (Selbstversand) hast du ein Problem: die Buy Box. Amazon zeigt prominent einen "In den Einkaufswagen"-Button – aber nur, wenn du die Buy Box gewonnen hast. Kriterien:
- Versandgeschwindigkeit (FBA gewinnt fast immer)
- Preis (günstiger ist besser, aber nicht allein entscheidend)
- Verfügbarkeit
- Account-Performance (Stornoquote, Versandgeschwindigkeit, Kundenzufriedenheit)
Wenn du mit FBM startest und mehrere Seller das gleiche Produkt anbieten (unwahrscheinlich bei deiner eigenen Marke, aber möglich), musst du die Buy Box regelmäßig prüfen. Ohne Buy Box sind deine Verkäufe massiv eingeschränkt.
Fazit: Der Marathon, nicht der Sprint

Amazon ist komplex, zeitintensiv und anfangs frustrierend. Die ersten Wochen siehst du vielleicht nur Werbekosten, aber kaum Verkäufe. Das ist normal. Amazon belohnt Geduld und Konsequenz.
Die Kaffeerösterei, die jetzt auf Amazon startet, muss realistisch planen:
- Monate 1-2: Setup, Listing-Optimierung, erste Werbung – noch kaum Umsatz
- Monate 3-4: Erste organische Rankings, Bewertungen kommen rein – Umsatz steigt langsam
- Monate 5-6: Werbekosten sinken relativ zum Umsatz, organischer Traffic wird relevanter
- Ab Monat 7: Profitabilität wird sichtbar
Das Ziel: Nach 6-9 Monaten sollte Amazon 15-25% deines Gesamtumsatzes ausmachen, mit einer Netto-Marge von 15-20%. Das ist ambitioniert, aber für qualitativ hochwertige Kaffeeprodukte realistisch.
Der wichtigste Rat zum Schluss: Starte nicht mit fünf Produkten gleichzeitig. Fokussiere dich auf einen Hero-Artikel, mache den erfolgreich, und baue dann aus. Amazon belohnt Fokus, nicht Breite.
Und noch etwas: Amazon ist ein zusätzlicher Verkaufskanal, kein Ersatz für deinen eigenen Shop. Die Kunden, die du auf Amazon gewinnst, bleiben Amazon-Kunden – sie bauen keine direkte Bindung zu deiner Marke auf. Nutze Amazon für Reichweite und Umsatz, aber investiere parallel in deinen eigenen Shop, deine Newsletter-Liste und deine Community. Nur so bist du langfristig unabhängig.
Viel Erfolg beim Start. Der erste Verkauf wird kommen – und dann der nächste, und der nächste.