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Was Freelancer und Agenturen vom Streaming-Business lernen können: Abo-Modelle, Kundenbindung und smarte Monetarisierung

Stefan Petri
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Netflix, Disney+ und Co. haben nicht nur unsere Feierabende verändert, sondern auch ein Geschäftsmodell perfektioniert, das für Kreative hochinteressant ist. Ob du als Freelancer wiederkehrende Einnahmen anstrebst oder als Agenturinhaber deine Kundenbindung verbessern willst: Die Strategien der Streaming-Giganten lassen sich erstaunlich gut auf dein Business übertragen.

Der Video-on-Demand-Markt in Deutschland knackte 2024 die Marke von knapp sechs Milliarden Euro Umsatz. Nach Analysen der Goldmedia GmbH Strategy Consulting wachsen die Streaming-Umsätze jährlich um durchschnittlich 13 Prozent. Netflix führt weltweit mit über 300 Millionen zahlenden Abonnenten, Amazon Prime Video folgt mit geschätzten 200 Millionen. Diese Zahlen sind beeindruckend, aber die eigentliche Lektion liegt in den Mechanismen dahinter: Wie schaffen es diese Unternehmen, dass Millionen Menschen jeden Monat freiwillig Geld überweisen?

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Wer sich einen umfassenden Überblick über die aktuellen Anbieter verschaffen möchte, findet bei dem beste Video Streaming Dienste Service eine hilfreiche Orientierung. Denn bevor du die Strategien verstehst, lohnt sich ein Blick auf die Akteure, die den Markt prägen.

Die Netflix-Transformation: Von der Strafgebühr zur Milliardenbewertung

Die Entstehungsgeschichte von Netflix klingt fast wie ein Startup-Klischee. Reed Hastings zahlte angeblich 40 Dollar Mahngebühr für eine verspätet zurückgegebene VHS-Kassette und gründete daraufhin 1997 einen DVD-Versand ohne Säumnisgebühren. Der eigentliche Clou kam aber erst später: wiederkehrende Einnahmen statt Einzeltransaktionen.

Ab 1999 konnten Kunden gegen eine monatliche Gebühr unbegrenzt DVDs ausleihen. Dieses Prinzip funktionierte so gut, dass Netflix 2007 den Sprung ins Streaming wagte. Anfangs mit bescheidenen 1.000 Titeln, während das DVD-Sortiment 100.000 Filme umfasste. Heute investiert das Unternehmen jährlich rund 17 Milliarden Dollar in Content und generiert einen Jahresumsatz von knapp 39 Milliarden Dollar.

Für dich als Kreativen steckt hier eine zentrale Erkenntnis: Der Wechsel von Einzelprojekten zu einem Retainer-Modell kann dein Business fundamental stabilisieren. Netflix hat früh verstanden, dass vorhersehbare Einnahmen langfristige Investitionen ermöglichen.

Lesetipps:

2011 erlebte Netflix einen kritischen Moment. Das Unternehmen erhöhte die Preise und kündigte die Abspaltung des DVD-Geschäfts an. Die Reaktion war verheerend: Netflix verlor 800.000 Kunden, der Aktienkurs stürzte innerhalb von vier Monaten um 75 Prozent ab. Die Episode verdeutlichte ein wichtiges Prinzip: Veränderungen müssen behutsam kommuniziert werden, besonders wenn sie die Preisstruktur betreffen.

Disney zeigt: Auch etablierte Player können sich neu erfinden

Während Netflix als Disruptor startete, musste Disney als traditioneller Medienkonzern einen anderen Weg gehen. CEO Bob Iger erkannte 2016, dass Netflix sein Geschäft mithilfe geliebter Disney-Inhalte aufbaute. Die Reaktion war radikal: eigene Streaming-Infrastruktur aufbauen und bestehende Lizenzverträge auslaufen lassen.

Der Erwerb von BAMTech für insgesamt 2,58 Milliarden Dollar lieferte die technologische Basis. Die Ankündigung von Disney+ erfolgte mehr als zwei Jahre vor dem Start, was strategisch klug war. Es gab Zeit, Inhalte vorzubereiten und den Markt zu konditionieren. Im November 2019 ging der Dienst live und übertraf alle Erwartungen mit mittlerweile über 150 Millionen Abonnenten weltweit.

Für Agenturen ist die Disney-Story besonders relevant. Der Konzern hat verstanden, dass man nicht alle Kompetenzen intern aufbauen muss. Der Kauf einer spezialisierten Technologiefirma beschleunigte den Markteintritt erheblich. Manchmal ist die richtige Partnerschaft oder Akquisition schneller als organisches Wachstum.

Ein entscheidender Unterschied zu Netflix liegt in Disneys Bündelstrategie. Durch die Kombination von Disney+, Hulu und ESPN+ in verschiedenen Paketen kann der Konzern unterschiedliche Zielgruppen ansprechen. Die Duo-Abonnements haben sich seit der Integration verdreifacht.

Drei Monetarisierungsmodelle im Detail

Die Streaming-Branche hat verschiedene Ansätze entwickelt, die sich auch auf andere digitale Geschäftsmodelle übertragen lassen. Nach aktuellen Erhebungen von Statista zum Thema Video-on-Demand nutzen 44 Prozent der Deutschen wöchentlich kostenpflichtige Streamingdienste.

Das klassische Abo (SVoD) bildet das Fundament. Nutzer zahlen monatlich und erhalten unbegrenzten Zugang. Netflix bietet in Deutschland drei Stufen an: Das werbefinanzierte Abo für 4,99 Euro, das Standard-Abo für 13,99 Euro und das Premium-Abo für 19,99 Euro. Diese gestaffelten Preise sprechen unterschiedliche Kundensegmente an und ermöglichen es, den durchschnittlichen Umsatz pro Nutzer zu optimieren.

Werbefinanziertes Streaming (AVoD) erlebt gerade einen Boom. Über die Hälfte der Netflix-Neukunden in verfügbaren Ländern entscheidet sich für die günstigere Variante mit Werbung. Netflix strebt langfristig mindestens drei Milliarden Dollar Werbeeinnahmen an. Das Prinzip funktioniert auch für Kreative: Ein kostenloser Basis-Zugang mit Premium-Upgrades kann die Reichweite erhöhen.

Hybridmodelle kombinieren beide Ansätze. Amazon Prime Video integrierte 2024 Werbung ins Standard-Abo. Wer werbefrei schauen will, zahlt drei Euro extra. Diese Strategie maximiert den durchschnittlichen Umsatz pro Nutzer durch verschiedene Erlösströme.

ModellBeispielVorteil für AnbieterÜbertragung auf Kreative
SVoD (reines Abo)Netflix PremiumPlanbare EinnahmenRetainer-Verträge mit festen Monatsraten
AVoD (Werbefinanziert)YouTubeNiedrige EinstiegshürdeFreemium-Angebote mit Basis-Content
HybridAmazon Prime VideoMehrere ErlösquellenKombination aus Abo und Einzelprojekten
FAST (komplett kostenlos)Pluto TVMaximale ReichweitePortfolio-Websites als Showcase

Gaming-Streaming: Xbox Game Pass als Vorbild für digitale Services

Microsoft hat mit dem Xbox Game Pass die Netflix-Formel auf Spiele übertragen. Der Dienst erreichte 2024 erstmals einen Jahresumsatz von knapp fünf Milliarden Dollar bei geschätzten 35 Millionen Abonnenten. Neue Spiele großer Microsoft-Studios sind ab Erscheinungstag im Abo verfügbar.

Interessant für Kreative ist die Plattform-Strategie dahinter. Microsoft fokussiert sich nicht mehr auf Hardware-Verkäufe, sondern auf die Verbreitung des Game Pass über alle Geräte. Der Zugang funktioniert auf Smartphones, Tablets, Laptops und Konsolen gleichermaßen. Diese Omnipräsenz senkt die Einstiegshürde massiv.

In Deutschland überstiegen die Einnahmen aus Gaming-Abo-Services mit 965 Millionen Euro erstmals den Einzelverkauf von PC- und Konsolenspielen. Das zeigt einen klaren Trend: Konsumenten gewöhnen sich an Abo-Modelle in immer mehr Bereichen.

Eigenproduktion vs. Lizenzierung: Die Make-or-Buy-Entscheidung

Netflix investiert den Großteil seines 17-Milliarden-Budgets in Eigenproduktionen. Der Grund ist simpel: 62 der 100 meistgesehenen Titel in der ersten Jahreshälfte 2023 waren Netflix Originals. Serien wie Squid Game oder Stranger Things gibt es nur dort, was einen konkreten Abo-Grund schafft.

Für Agenturen und Freelancer stellt sich eine ähnliche Frage: Eigene Frameworks und Templates entwickeln oder auf bestehende Lösungen setzen? Die Streaming-Industrie zeigt, dass exklusive Angebote langfristig wertvoller sind, auch wenn die initialen Investitionen höher ausfallen.

Lizenzierte Inhalte spielen dennoch eine Rolle als Katalog-Ergänzung. Die überraschende Popularität der abgeschlossenen Serie Suits auf Netflix beweist, dass auch fremde Produktionen Zuschauer anziehen. Die Balance zwischen Eigenem und Eingekauftem bleibt eine strategische Abwägung.

Warum wiederkehrende Einnahmen dein Business transformieren

Die wirtschaftliche Attraktivität von Abo-Modellen liegt in der Planbarkeit. Statt auf das nächste Projekt zu hoffen, weißt du am Monatsanfang, welche Einnahmen sicher kommen. Das ermöglicht bessere Budgetierung, stabilere Ressourcenplanung und strategischere Investitionen.

Für Investoren und Banken sind wiederkehrende Einnahmen ebenfalls attraktiver. Sie reduzieren das Risikoprofil und ermöglichen genauere Prognosen. Netflix' Wandel vom Einzelverkauf zum Abo wurde von den Kapitalmärkten belohnt.

Ein weiterer Effekt ist die tiefere Kundenbindung. Netflix-Nutzer verbringen durchschnittlich zwei Stunden täglich auf der Plattform. Diese intensive Nutzung senkt die Kündigungswahrscheinlichkeit. Übertragen auf dein Business: Je mehr Touchpoints und kontinuierlichen Mehrwert du bietest, desto stabiler wird die Kundenbeziehung.

Der deutsche Markt: Wettbewerb und Konsolidierung

In Deutschland dominieren Amazon Prime Video mit etwa 28 Prozent Marktanteil und Netflix mit 27 Prozent. Disney+ folgt mit 18 Prozent auf Platz drei. Laut aktuellen Daten der Bitkom Studie zur Zukunft der Consumer Technology befindet sich der Markt für Consumer Technology weiterhin im dynamischen Wandel.

Für den durchschnittlichen Haushalt wird die Fragmentierung zum Problem. Studien zeigen, dass 28 Prozent der deutschen Haushalte mehr Streaming-Dienste abonniert haben, als sie benötigen. Die Konsequenz: Anbieter reagieren mit Bündelangeboten. Disney kombiniert Disney+, Hulu und ESPN+ und konnte die Duo-Abonnements verdreifachen.

Netflix ging 2023 konsequent gegen Account-Sharing vor. Entgegen mancher Befürchtungen führte das nicht zu Massenkündigungen, sondern zu neuen Abos. Viele Nutzer mit kostenlosem Zugang schlossen eigene Verträge ab.

Checkliste: So überträgst du Streaming-Strategien auf dein Business

Abo-Modell einführen: Prüfe, ob du wiederkehrende Services anbieten kannst. Monatliche Wartungsverträge, SEO-Retainer oder Design-Flatrates stabilisieren deinen Cashflow.

Gestaffelte Preise anbieten: Entwickle wie Netflix verschiedene Pakete für unterschiedliche Budgets und Bedürfnisse. Ein Basis-Paket senkt die Einstiegshürde, Premium-Optionen erhöhen den durchschnittlichen Umsatz.

Exklusive Leistungen schaffen: Investiere in eigene Frameworks, Templates oder Prozesse, die nur du anbietest. Diese Differenzierung reduziert die Vergleichbarkeit mit Wettbewerbern.

Kundendaten nutzen: Streaming-Dienste wissen genau, was ihre Nutzer konsumieren. Sammle und analysiere Daten über die Nutzung deiner Services, um bessere Entscheidungen zu treffen.

Mehrere Erlösquellen kombinieren: Die Mischung aus Abo-Gebühren und Zusatzleistungen macht dein Business resilienter gegen Schwankungen in einzelnen Bereichen.

Der Blick nach vorn

Experten prognostizieren, dass drei bis vier große Anbieter den Streaming-Markt langfristig dominieren werden. Werbefinanzierte Modelle gewinnen an Bedeutung, Netflix erwartet bis 2026 einen wesentlichen Wachstumsanteil durch Werbeerlöse.

Live-Inhalte werden zum differenzierenden Faktor. Netflix' Deal mit der Wrestling-Liga WWE und die Sportübertragungen bei Amazon zeigen diesen Trend. Für Kreative bedeutet das: Exklusive Live-Formate wie Webinare, Workshops oder Q&A-Sessions können Kundenbindung verstärken.

Die Grenzen zwischen verschiedenen digitalen Services verschwimmen zunehmend. Netflix startete eine eigene Spieleplattform, Gaming-Dienste integrieren Videos. Für dich als Kreativen heißt das: Denke in Ökosystemen statt in Einzelleistungen. Der Kunde, der heute ein Logo braucht, benötigt morgen vielleicht eine Website und übermorgen Social-Media-Content.

Die Streaming-Industrie hat vorgemacht, wie digitale Transformation gelingen kann. Die Prinzipien dahinter, wiederkehrende Einnahmen durch kontinuierlichen Mehrwert, lassen sich auf Software, Dienstleistungen und kreative Services übertragen. Die Frage ist nicht ob, sondern wie du diese Erkenntnisse für dein Business nutzt.

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Von Stefan Petri
Stefan Petri betreibt zusammen mit seinem Bruder Matthias das beliebte Fachforum PSD-Tutorials.de sowie die E-Learning-Plattform TutKit.com, die in der Aus- und Fortbildung digitaler beruflicher Kompetenzen einen Schwerpunkt setzt. 
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